Von Cocteau an Coco
Sie waren beide ihrer Zeit weit voraus – und verstanden sich wohl eben deswegen so gut. Coco Chanel und Jean Cocteau verband eine enge Freundschaft. Sie kleidete Charaktere für seine Theaterstücke ein, er hielt ihre Silhouette in Zeichnungen fest und lobte ihre Arbeit in Briefen, die er stets mit einem kleinen Stern signierte. Eben dieser Stern schmückt nun die Entwürfe der neuen Cruise 2021 / 2022-Kollektion, die heute vorgestellt wurde.
Aufgenommen in Carrières de Lumières in der Provence, einem gewaltigen unterirdischen Steinbruch, in dem oft multimediale Ausstellungen veranstaltet werden, erinnert die Show an eines von Cocteaus wichtigsten Werken: Der experimentelle und avantgardistische Film „Das Testament des Orpheus“, der 1959 ebenfalls in den Carrières inszeniert wurde. Unter dem gleißenden Licht der südfranzösischen Sonne und vor dem Hintergrund der schlichten Felsen führen die Models eine Kollektion vor, die fast ausschließlich mit den Farben Schwarz und Weiß auskommt und so die Lichtkontraste des Ortes reflektiert. „Die Einfachheit und Präzision des Films hat mich dazu inspiriert, eine sehr cleane Kollektion zu entwerfen, die sich speziell auf zwei Töne fokussiert, Tiefschwarz und helles weiß“, sagt Kreativdirektorin Virginie Viard.
Gleichzeitig ruft die Kollektion die Punkszene der 80er-Jahre in Erinnerung: Netzstrumpfhosen, Mini-Röcke mit Lederfransen, Tanktops und T-Shirts, Stiefeletten und grafische Muster. Cocteaus Poesie verbirgt sich in den Details, in den Mustern und Applikationen, die von seinen Zeichnungen inspiriert sind, den kindlichen Blumen, Sternen und Tauben. Beide Kreative liebten Bestiarien und integrierten sie in ihre Arbeit. Cocteau bevorzugte Greife und Zentauren, Chanel Löwen, doppelköpfige Adler und Hirsche. In dieser Kollektionen finden sie zusammen, wie in einem Traum, den zwei Freunde gemeinsam träumen. Silvia Ihring