Thema Mode

Nächster Halt auf der diesjährigen Cruise-Schauen-Route: die Isola Bella. Auf der Insel im Lago Maggiore präsentierte Nicolas Ghesquière seine neue Kollektion für Louis Vuitton. Seit 2014 verreisen er und das französische Traditionshaus mit der Cruise-Kollektion an entlegene und exklusive Orte. Das Museum für zeitgenössische Kunst in Rio de Janeiro oder das Salk Institute von San Diego standen schon auf dem Plan. Die Show auf der Isola Bella hatte nun eine besonders wichtige Bedeutung. Mit ihr gastierte Louis Vuitton zum ersten Mal in Italien. Gerade gut genug schien da das märchenhafte Anwesen des Palazzo Borromeo als Kulisse für die Kollektion aus 50 Looks. Nur: Ihre Inszenierung fiel sprichwörtlich ins Wasser.

Es regnete nicht, es schüttete. Kurz vor der Show wurden deshalb die Publikumsränge vom Garten in den Palazzo verlagert. Zeit für das sonst so minutiös durchgeplante Seating war nicht; den Gästen blieb nur freie Platzwahl. Die Aftershow-Party musste komplett abgesagt werden. Weil die bis zu rund 400 Jahre alten Säle für Feiern zu sensibel sind, hätte sie nur draußen stattfinden dürfen. Tragisch, aber am Ende tat es Ghesquières Entwürfen keinen Abbruch. Im Gegenteil. Das Thema seiner Kollektion: Unterwasserwesen. „Wir begannen mit der Idee, dass die Mädchen aus dem Wasser kommen, wie Meerjungfrauen aus dem See, und dass sie sich in etwas anderes verwandeln“, sagt er. Viel schimmernde Stoffe, Röcke aus XL-Pailletten, fließende Kleider und hier und da Scuba-Krägen und -Volants. Zum Schluss zart flatternde Roben. Das Bild passt nicht nur zum Wetter, sondern greift auch der Popkultur voraus. Mit „Arielle, die Meerjungfrau“ kommt am 26. Mai die Realverfilmung des Disney-Zeichentrickfilms in die Kinos. Ende des Jahres lanciert die Fortsetzung von „Aquaman“. Anders formuliert: Unterwasser wird überwichtig.

Erst vor ein paar Wochen präsentierte Maria Grazia Chiuri die Pre-Fall-Kollektion von Dior in Mumbai, nun rief sie für ihre Cruise-Kollektion Mexico City auf den Plan. Dior und Mexiko verbindet eine lange Geschichte. Schon Hausgründer Christian Dior ließ sich regelmäßig vom Land inspirieren; im Jahr 1947 benannte er sogar eines seiner ersten Kleider nach ihm (ein „Mexico“-Modell von 1953 hängt im Victoria & Albert Museum in London). 1972 präsentierte der damalige Kreativdirektor Marc Bohan eine Haute-Couture-Kollektion bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Hotel Camino Real in Mexico City. 2002 ließ sich dann John Galliano für eine Haute-Couture-Kollektion vom kulturellen Erbe Mexikos inspirieren. Und auch Maria Grazia Chiuri machte das Land bereits einmal zum Dior-Thema. Für ihre Cruise-Kollektion 2019, präsentiert im Schloss Chantilly nahe Paris, wählte sie die Escaramuza als Stilvorbild, Mexikos berühmte Rodeoreiterinnen.

Frauen sind bekanntlich Chiuris größter Auftrag. Logisch, dass nur eine das Thema sein kann, wenn Mexico City zum Austragungsort einer ihrer Schauen wird: Frida Kahlo. Deren Alma Mater, das Colegio de San Ildefonso, diente als Location. Im Innenhof wurde die Kollektion unter stärkstem Regen präsentiert:  Tunikablusen, schwingende Röcke aus Spitze, Volants- und Plissékleider, teils reich bestickt mit Blumen- und Folklore-Mustern. Einige Kleider, die auf Frida Kahlos berühmten Selbstportraits zu sehen sind, standen Pate. Für die Fertigung der Kollektion verpflichtete Chiuri lokale Handwerksbetriebe. Besser hätte sie kein weiteres Kapitel der Dior-und-Mexiko-Geschichte schreiben können.

1931 kam Coco Chanel erstmals nach Hollywood, um Filmstars einzukleiden. Die enge Beziehung zwischen dem Haus und der Filmbranche hält bis heute an, doch selten wurde sie so gewürdigt wie mit der jüngsten Cruise-Show in Los Angeles, die in den Paramount-Filmstudios stattfand. Sportswear, Paillettenkleider, und Farben, die an einen kalifornischen Sonnenuntergang erinnern, ergaben eine Kollektion, die die Lässigkeit der Westküste ebenso feierte wie den Glamour Hollywoods.

Es könnte ein typischer Mittwoch auf der Pariser Fashion Week sein. Nur die ist seit zwei Monaten vorbei. Mit einer Show stellte diese Woche das Modelabel COS erstmalig seine, an Couture Mode angelehnte, Atelier Kollektion im Place Vendôme vor. Dank Off-Season-Termin mit prominent gefüllten Reihen aus rund neun Nationen. Das Timing stimmt.

Wir begleiten Psychologie-Student, Content-Creator und Wahl-Pariser Moritz Hau zusammen mit dem Berliner Model Sadiq Desh zur Show. Die Mode wirkt mühelos, frei von Schnörkeln. Fließende Seidenkleider und gradlinige Woll-Blazer geben durch verstellbare Elemente das Gefühl, tatsächlich auf den Leib geschneidert zu sein. Monochrome Looks in Schwarz oder Beige werden vereinzelt von knalligem Rot-Orange unterbrochen. Damit knüpft die Capsule Collection an die Unternehmensphilosphie von zeitloser und somit nachhaltiger Ästhetik an. „Ich denke, die Kollektion hat etwas Unaufdringliches und einen Fokus auf Langlebigkeit“, beschreibt Chefdesignerin Karin Gustafsson die Kollektion, die so auch beim Kunden gut ankomme. „Sie wollen investieren und eine Garderobe kreieren, die kombinierbar und langlebig ist.“ Und das über eine Saison hinaus. Ab sofort online und in ausgewählten Flagship Stores erhältlich. cos.com

The COS Atelier collection

Erneut Carte Blanche für Altmeister Gaetano Pesce von Bottega Veneta. Seine Installation ‚Vieni a Vedere‘ (dt.: Komm und sieh)  erstreckt sich über den gesamten Store in der Via Montenapoleone in Mailand. Klar, eine Mini-Edition von Handtaschen hat er auch entworfen.

 

Fifty & Fabulous 

Mit dem 50. Geburtstag geht nicht nur erfahrungsbedingte Weisheit einher, sondern häufig auch der Wunsch, sich in Zukunft neu zu erfinden. Deswegen besinnt sich Timberland für das 50-jährige Bestehen seines Bestsellers – dem „Original 6 Inch Boot“ – gleichermaßen auf Vergangenes und Künftiges: Für das Projekt „Future73“ gestalten sechs Visionäre eine von der Zukunft inspirierte Version des Klassikers. Die Handwerkskunst wurde perfektioniert und ein Modell entwickelt, das nach ausgiebigem Tragen zerlegt und vollständig recycelt werden kann. Den gestalterischen Auftakt macht Schauspieler und Designer Edison Chen mit einem Schuh, der sich auf die chinesische Kultur und die buddhistische Achtsamkeits-Lehre stützt. Alle weiteren Capsule Collections von Nina Chanel Abney, Samuel Ross, Suzanne Oude Hengel, Humberto Leon und Christopher Raeburn werden im Laufe des Jahres lanciert und sind online sowie in ausgewählten Stores erhältlich.

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Es war der Traum zu dieser Welt. Dreißig Jahre ist es her, dass Maria Grazia Chiuri, die Kreativdirektorin bei Dior Woman, mit den Chanakya Ateliers in Mumbai eine Adresse fand, an der ihr ausgeprägtes Faible für Stickerei-Kunst umgesetzt und perfektioniert wurde, während in ihrer Heimat Italien diese Kunstfertigkeiten eher in den Hintergrund trat. Seither sind die Bande eng. Am Donnerstagabend wurde der Höhepunkt dieser langen Freundschaft mit einer in Indien noch nie dagewesenen Show zelebriert.

 Und das vor dem „Gateway of India“, im vergangenen Jahrhundert zu Ehren von König George und Queen Mary direkt am Arabischen Meer gebaut, ein steinerner, riesiger Willkommensbogen. An diesem Abend stand davor noch ein Tor, ein indischer Toran, die typischen, ganz individuellen Türvorhänge, mit denen Gäste willkommen geheißen werden. Dieser war handgefertigt von der Chanakya School, eine Liebeserklärung an Dior, dadurch schritten 100 Models mit Maria Grazia Chiuris Antwort: Einer Prefall-Kollektion, die das Handwerk ehrte, das Land, die Kultur und die Strecke Indien Frankreich, Paris-Mumbai hin und zurück legte. Eine ihrer schönsten je. Kultureller Austausch in seiner wahren, kostbaren Form. #moretocome

Jeremy Scott verlässt Moschino

Ein bisschen Spaß muss sein, auch in der Mode. Kein Designer der Gegenwart versteht das so gut wie Jeremy Scott. Seine erste Moschino-Show war ein Big Bang: Zu Beginn Kostüme und Kleider im Rot und Gelb von McDonald’s, dazu Taschen mit einem geschwungenen „M“, das ans Logo der Fast-Food-Kette erinnerte. In der Mitte Spongebob-Strick und zum Schluss Kleider mit Chipstüten-Print. Was Jeremy Scott für den Herbst und Winter im Jahr 2014 erdachte, war eine Hommage an den schnellen Konsum. Nicht jeder in der Modewelt fand es lustig. Darf Luxus so etwa nicht aussehen? Dass er es darf, hat der Amerikaner allen Kritikern bewiesen, indem er beständig und überaus erfolgreich weitermachte mit seiner Mode. Die pinken Barbie-Kleider, die Minikleider mit „Sale“-Aufdruck im XL-Format und die Jackie-Kennedy-From-Outer-Space-Roben rissen ihm die Kundinnen aus den Händen. Mode als Performancekunst – perfekt inszeniert für die Instagram-Zeitalter. Nach zehn Jahren tritt Jeremy Scott nun von seinem Posten zurück. „Ich bin stolz auf das Erbe, das ich hinterlasse“, sagt er. Kann er auch. Über sein Moschino konnte man nicht nur lachen, man wollte darüber nachdenken. Ein Nachfolger wurde noch nicht bekannt gegeben.

Balenciaga Winter 2023/24

Schiaparelli

Er kann es einfach: Mit Daniel Roseberry hat Schiaparelli tatsächlich den Designer, der die legendäre Marke zu zeitgenössischer Begehrlichkeit führt. Mit der ersten Prêt-à-porter-Show in Paris hat er gezeigt, dass Schiaparelli nicht nur Haute Couture kann. Schließlich ist auch der Vertrieb auf Expansion ausgerichtet, bei Harrods wurde kürzlich ein eigener Store eröffnet.

Die Kollektion ist eklektisch wie einsetzbar, die überwiegend schwarzen Anzüge und Kleider auf Figur geschnitten, mit weichen Schultern und schmaler Taille, dabei auf eine Weise, die nicht nur nach Größe 34 ruft. Natürlich fehlt die „Signature“, die goldenen Details, fein dosiert, nicht. Das weiße Ensemble mit schwingendem Rock und Rollkragen (wichtig, die dicke Goldkette dazu) hat Starqualität, die Mäntel sind einfach schön. Es spielt dem Haus sicher in die Karten, dass es nach den Covid-Jahren eine neue Sehnsucht nach Eleganz gibt, auf die die Mode derzeit flächendeckend antwortet. Bei Schiaparelli gehört sie zur DNA.

Kleines Augenzwinkern am Rande: Hatten bei der Haute Couture die perfekten Rekonstruktionen von Dante Fabeltieren Löwe, Schneeleopard und Wolf noch für Aufregung gesorgt, kam der schwarze Fellmantel nun ohne Tierkopf daher. Roseberry beherrscht halt die Gratwanderung zwischen irreal und real. Schiaparelli steht nun für beides.

Bottega Veneta mag vor zwei Jahren seinen Instagram-Account gelöscht haben, stattfinden muss die Marke auf Social Media natürlich trotzdem noch. Sandfarbene Stricksocken (etwa zu einem Lingerie-Look oder einem Pulloverkleid) haben Kreativdirektor Matthieu Blazy dieses Mal gereicht, um das Netz in Verzückung zu setzen. Gewöhnliche Socken? Bei Bottega Veneta? Wo Lederhosen neuerdings wie Jeans aussehen, also Luxus nicht mehr nur als Handwerk, sondern auch als Innovation begriffen wird? Ja, und genau deshalb sind sie aus Leder gestrickt und können auch wie Schuhe getragen werden. Dazu passen am besten die Pyjamas, die aussehen, als wären sie aus Flannel, in Wahrheit aber aus Nubuk sind. Nicht alles für den nächsten Herbst ist Cocooning und Illusion. Viele Teile beeindrucken schon auf den ersten Blick, wie etwa die Hemden, Jacken und Mäntel mit mehrlagigen Krägen und Manschetten oder ein mintfarbenens Kleid mit Federkaskade. Effektvoll, aber tragbar. Dieser Spagat ist bekanntlich die größte Modekunst. Bottega Veneta scheint übrigens langsam wieder aktiv Gefallen an Social Media zu finden: Auf Sina Weibo, einer chinesischen Plattform, ist die Marke seit ein paar Tagen wieder zurück.

„Ferragamo ist ein Kraftpaket, riesiger Veranstaltungsort, riesige Kollektion. Maximilian Davis macht wirklich einen tollen Job, es ist sicher nicht einfach, eine Luxusmarke zeitgemäß begehrenswert zu machen, ohne den Faden einer langen Geschichte zu verlieren. Nicht nur seine Eltern, die die Show und die Afterparty besuchten, waren begeistert. Und es war herzerwärmend, die Begegnung zwischen Max und seinem Ehrengast Lee Jeno bei der Aftershowparty zu sehen. Zwei höfliche, coole, brillante junge Männer. Das sind Typen, die wir in der Zukunft sehen wollen.“ Instagram Inga Griese

gucci

TOD’S

Backstage nach der Show erklärte Walter Chiapponi die neue Tod’s-Kollektion so: „Ich habe mit klassischen Stücken der Männergarderobe gespielt, sie manipuliert und aufgebrochen.“ Er hat die Knöpfe von Peacoats mit Leder überzogen, Bomberjacken aus Napa erdacht, bodenlange Mäntel mit Schulterpolstern und einer schmalen Taille versehen und Boyfriend-Blazer mit asymmetrischen Knopfleisten versehen. Dem gegenüber hat er ein paar wenige (und für Tod’s neue!) ultrafeminine Kleider gestellt; sie kunstvoll drapiert, mit glitzernden Stickereien versehen und kurz unterm Knie enden lassen. Macht unterm Strich: „Eine Garderobe für Frauen, die stark und sexy sind“, so Chiapponi.

Schon Marco de Vincenzos Debüt-Kollektion vor sechs Monaten war eine ziemliche Ansage: Mit ultrakurzen Röcken, Bralets und Baggy-Pants hatte er Etro auf Jugendlichkeit getrimmt, um die Marke für neue Zielgruppen zu öffnen. Die für das Haus so typischen Boho-Kleider und das Paisley-Muster waren kaum zu sehen. Über seiner zweiten Kollektion schwebt nun ganz offiziell der Begriff „radikal“. „Er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Wurzeln“, sagte de Vincenzo. „Aber ich bin nicht hier, um etwas zu zerstören, sondern um es zu bewahren.“ Passend dazu hat er die Show-Location, den Innenhof vom Palazzo Senato, mit Absperrbändern und Schutzvlies zur Baustelle umdekorieren lassen. Weniger Abriss, mehr Sanierung. Das Paisley-Muster ist jetzt wieder präsenter. Die Boho-Kleider ziehen sich wie ein roter Faden durch die Kollektion, kombiniert zu Tartan-Wolldecken und schweren Cardigans. Dazwischen taucht immer wieder ein Piece auf, das aktuell zum Riesentrend bei der Generation Z avanciert: das Poloshirt-Kleid. De Vincenzo präsentiert es in einer gestrickten Version und mit Fransen am Saum. Alles drin im Bild: Was Etro in der Vergangenheit war und in der Zukunft sein soll.