Thema Mode

Video Sandro Rados

Ein Fan und seine Fans 

Wenn William Fan zur Show einlädt erscheinen nicht Gäste, sondern eine Community aus Gleichgesinnten: Kunden, Freunde und Fachleute, die seit Jahren seine Shows als Höhepunkt der Berliner Fashion Week werten, weil jede Kollektion sitzt und sicherlich auch aus Stolz auf ihren „Local Hero“. Nicht vielen Designern in Berlin gelingt es, über einen langen Zeitraum ein Label aufzubauen, zu erhalten und zum Erfolg zu führen. Wie weit William Fan gekommen ist bewies die jüngste Show einmal mehr: Mit der Unterstützung von Mercedes Benz wurde im Martin Gropius-Bau eine Großproduktion der Extraklasse auf die Beine gestellt, anschließend gab es ein Dinner im hauseigenen Restaurant „Beba“. Da wurde dann debattiert, was aus der Kollektion auf die persönliche Wunschliste landen sollte: das ultraleichte, anschmiegsame Strickkleid, die weiße Robe mit Trompetenärmel, die Fischerhüte oder runden Taschen aus verknüpften Perlen. William Fan kann sich auf seine Fans verlassen, vor allem aber auf sein eigenes Gespür und Talent, das ihn hierhin geführt hat. Die Kollektion ist schon jetzt auf studiowilliamfan.vom erhältlich.

Fotos Nico Kawohl

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Tag 1 der Berlin Fashion Week. Vor der Beton-Kulisse der James Simon Galerie präsentierte Odeeh eine Kollektion, die mit Grafiken, Texturen und femininen Details spielte. Während Silhouetten und Schnitte geradlinig und minimalistisch blieben, trafen Blumendrucke, Batikmuster, Fransen und Pailletten in unerwarteter Harmonie aufeinander.

Fotos Nico Kawohl

Odeehs Jörg Ehrlich und Otto Drögsler

„Das Spiel mit Gegensätzen und Kontrasten, mit Lässigkeit und Eleganz, ist wie eine Gratwanderung zwischen Stärke und Zartheit, die wir bei Chanel Allure nennen“, sagt Virginie Viard. Und weil Allure bekanntlich das ist, wovon die Pariserin am meisten hast, ist die nun das Thema von Chanels neuer Couture-Kollektion. Präsentiert wurde sie auf Kopfsteinpflaster am Ufer der Seine, der Eiffelturm natürlich im Hintergrund. Damit bei diesem Bild gar nicht erst der leiseste Gedanke an irgendwelche Klischees aufkommen kann, eröffnet die coolste Pariserin überhaupt die Show: Caroline de Maigret, in einem bodenlangen Herrenmantel. Es folgen Bouclé-Jacken und Gehröcke zu bleistiftgeraden Hosen, Volants-Tops und -Kleider und Pailletten-Tweed-Kostüme. Und natürlich das obligatorische Brautkleid: aus transparenten Chiffon-Lagen, mit Schleife am Kragen und ausgestelltem Rock, der leicht übers Knie geht. Hauchfein, feminin, unabhängig. Fast zu schön, um wahr zu sein.

The Chanakya workshop in Mumbai, India. Images shot for Christian Dior Couture

Aquatic Architecture and Bionic Innovations  Iris van Herpen

Schiaparelli

Vergangene Saison zeigte Daniel Roseberry für Schiaparelli Abendroben mit ultra-realistisch anmutenden Tierköpfen am Dekolleté. Skandal! Und dann irgendwie doch wieder keiner, weil das Haus nun mal seit je her für textilen Surrealismus steht. Grenz- und Kontextüberschreitungen wurden in der Vergangenheit auch immer wieder selbst von namhaften Künstlern angetrieben, mit denen Schiaparelli zusammenarbeitete. Ihnen setze Roseberry mit seiner neuen Couture-Kollektion nun eine Art Denkmal. Lucian Freuds bemaltes Atelier stand zum Beispiel Pate für ein Kleid aus einem unregelmäßigen Mosaik aus Pinselstrich- und Farbflächen-Patches. Das Blau von Yves Klein färbte Origami-Röcke und Schmuck-Details, aber auch einige Körperpartien der Models. Ob reines Bodypaint oder Couture-Piece war auch auf den zweiten Blick nicht direkt ersichtlich. Ein kleines Verwirrspiel, das mittels perspektivischer Darstellung eine perfekte Dreidimensionalität vortäuscht, gehört bei Schiaparelli wohl einfach dazu. 

Neue Linienführung

Die Beziehung vom Körper zur Mode und was zwischen beiden passieren kann, ist das, was Jonathan Anderson antreibt. Seine Loewe-Kollektion für den nächsten Sommer ist reduzierter als sonst, aber nicht weniger beeindruckend. Im Fokus stehen ausgestellte Hosen, die bis über den Bauchnabel reichen. Ihr Betrachter soll sich vorkommen, als schaue er aus der Froschperspektive auf sie. Der Effekt einer sich künstlich verlängernden Silhouette wird durch Kurzjacken oder in den Hosen steckenden Strickpullover zusätzlich verstärkt. Als Highlights gibt es reich mit Glitzersteinen versehene Jeans und Polos. Und Long-Tops aus Wildleder, die wie verwachsen mit den dazu passende Schultertaschen erscheinen. Der Look überzeugt auf langer Linie!

 

HERMÈS

Perforierte (Tank-)Tops, extrakurze Shorts und Sakkos so dünn, dass die Haut durchscheint: Veronique Nichanians Hermès-Kollektion ist wie gemacht für die ganz heißen Tage.

 

 

WHITE MOUNTAINEERING

Tragbar, funktional, begehrenswert: Yosuke Aizawa entwirft für White Mountaineering Outdoor-Mode mit einem so hohen Design-Anspruch, dass die Grenzen zwischen Laufsteg und Trekkingpfad im nächsten Sommer vollends aufgehoben werden.

Hype und Handwerk

Fünf Jahre verantwortet Kim Jones jetzt schon die Herrenlinie von Dior. Seitdem toppt eine Show die nächste; zuletzt vor den Pyramiden von Giseh. Die Mode ist beliebt bei Männern von Prinz Harry bis Lil Nas X. Die Umsätze zeigen steil nach oben. Logisch, dass Jones zu seinem kleinen Mitarbeiterjubiläum nun etwas ganz Besonderes zeigen wollte. Der Laufsteg nicht wie sonst erhöht, sondern eine graue Fläche aus quadratischen Bodenplatten. Als das Licht erlischt und die Show beginnt, öffnen sich wie von Zauberhand 51 der Quadrate und ebenso viele Models werden wie Rockstars auf einem Konzert aus dem Untergrund gefahren. Nach und nach absolvieren sie ihren Lauf vorbei am Publikum, in der ersten Reihe Amanda Lear, Demi Moore und Aaron Piper.

Fließend glatte und leicht aufgeraute Anzüge mit Hosen, deren Beine weit und verkürzt sind. Zwischendurch blitzen mit Schmucksteinen bestickte Hemden und Jacken auf. Jones zitiert die Arbeit jener Designer, die vor ihm seinen Job machten: Yves Saint Laurents Silhouette, Marc Bohans Texturen und Gianfranco Ferrés Stickereien. Das Werk des Gründers schwebt über allem. Weshalb Jones immer wieder Diors ikonisches Cannage-Motiv im Großformat auftauchen lässt, zum Beispiel auf Strickpullovern. Die Highlights machen fein changierende bis glitzernde Tweed-Pieces. Inspiriert sind sie von den funkelnden Juwelen und weichen Tweeds, die Christian Dior einst in seiner Couture-Kollektion für den Herbst und Winter 1960 einsetzte. Das Haus steht eben vor allem für eins: meisterliches Handwerk. Jones entwickelt es beständig weiter.

DIOR 

EGONLAB

Schnitte von kantig bis extra soft, Layering, viel Schwarz und Weiß: Egonlab setzt für den nächsten Sommer auf lässigen Minimalismus.

Veränderung im Anzug

„Der arme alte Anzug hat ein ziemlich schlechtes Image: Beerdigungen, Vorstellungsgespräche, Geschäftsleute, Gerichtstermine“, sagt Paul Smith. „Ich habe ihn neu gedacht.“ Doppelreihige Blazer interpretiert er für den nächsten Sommer beispielsweise neu, indem er sie zu kurzen Hosen kombiniert (Riesentrend!). Die lange Zeit für tot erklärte Anzugweste holt er zurück, weil er sie einfach ohne Sakko zu einer passenden Bügelfaltenhose zeigt. Und unter schnöde graue Zweiteiler zieht er, klar, einen seiner Klassiker: ein Shirt mit Streifen. „Die Schneiderei wird oft als ernste Angelegenheit angesehen. Ich wollte den Leuten schon immer zeigen, wie viel Spaß man damit haben kann“, sagt Smith. Es ist ihm gelungen.

GIVENCHY

Bermuda-Shorts zu Bomberjacken, Smokings mit Baggy-Pants und Funktionsjacken über Banker-Suits? Matthew M. Williams lässt für Givenchy erneut Gentleman-Mode auf Alltagskultur treffen. 

AMI

Leichtigkeit soll Alexandre Mattiussis Kollektion für AMI im nächsten Sommer versprühen. Die Teile sind deshalb luftig und reduziert. Mit den Menschen, die sie auf dem Laufsteg präsentierten, trug der Designer dafür umso dicker auf: Der Schauspieler Vincent Cassel eröffnete die Show, es folgten die Topmodels Saskia de Brauw, Clément Chabernaud und Guinevere van Seenus.

Schneiderkunst und ein bisschen Glitzer

Für Dries Van Noten entsteht Eleganz dann, wenn Menschen ihre Kleidung lange tragen und lieben. Bewahren zählt für ihn mehr als der Hype um schnelle Trends. Seine Männerkollektion für den kommenden Sommer beschreibt er nun als Studie der Eleganz. „Wir haben uns gefragt: Was ist Männlichkeit heute? Wie können wir Eleganz auch für die Jugend interessant machen?“ Die Antwort: mit schmal-fließenden Anzügen, flattrigen Hemden, hier und da Pailletten in Form von Shorts und Shirts und dazu immer wieder Jacken, die so gefärbt und gewaschen sind, als wären sie schon Jahre getragen und der Sonne ausgesetzt. Viel Soft-Tailoring, ein bisschen Pop und Streetwear.

LGN LOUIS GABRIEL NOUCHI

Von den Mods inspirierte Jacken und Mäntel, Sakkos und gerade Hosen: die Sixties für den Sommer 24!

Walter Van Beirendonck

„Die Welt um uns herum verändert sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit – und es fühlt sich an, als ob wir die Crashtest-Dummys sind.“

Walter Van Beirendonck

SHOWTIME!

 

Es ist die wichtigste Show der Saison, wenn nicht des Jahres. Manche sagen sogar, es sei die wichtigste Show dieses Jahrzehnts. Mit Pharrell Williams hat am Dienstagabend erstmals ein Mensch aus der Musik-und-Entertainment-Branche als Kreativdirektor eines Luxusmodehauses eine Kollektion gezeigt. Um genau zu sein: als Kreativdirektor des größten Luxusmodehauses, das es auf diesem Planeten gibt. Louis Vuitton. Im Februar wurde bekannt, dass Williams die Herrenlinie verantworten und damit die Nachfolge des im November 2021 verstorbenen Virgil Abloh antreten wird. Kritiker bemängelten schnell, dass Williams keine große Modekompetenz besäße. Nirgendwo aber steht geschrieben, dass man das Fach studiert haben muss, um es zu beherrschen. Und Williams hat schon in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass er modisch etwas kann: ob als Botschafter für übergroße Vivienne-Westwood-Hüte, Muse von Karl Lagerfeld oder zuletzt Chef seines eigenen Modelabels. „Ich war nicht am Central Saint Martins. Aber ich war auch nicht an der Juilliard, um Musik zu studieren. Und ich bin ganz gut zurechtgekommen“, gab er in einem Interview mit der amerikanischen Vogue ein paar Tage vor der Show zu Protokoll. Klingt nach hohen Ansprüchen an sich selbst?

Als Laufsteg wählte Williams den Pont Neuf, also die älteste noch im Originalzustand erhaltene Brücke über der Seine in Paris. Gleich um die Ecke liegt das Hauptquartier von Louis Vuitton. In der ersten Reihe Menschen, die Freunde, Kollegen und Superstars sind: Beyoncé mit ihrem Mann Jay-Z, Rihanna mit ihrem Mann Asap Rocky, Kim Kardashian, Jared Leto, Zendaya. Und die Kollektion für den nächsten Sommer? Fährt alles an Garderobe auf, was Männer heute so brauchen und wollen: Parkas, Bomberjacken, Jeans, Anzüge, Shorts, Lederjacken, Boots, Crossbody-Bags und Weekender. Die Silhouette ist lässig bis weit. So gut wie alles hat Williams mit Louis Vuittons Damier-Motiv überzogen, jenem ikonischen Schachbrettmuster, das Georges Vuitton 1888 erdachte und bis heute die Taschenklassiker des Hauses schmückt. Hier und da wirkt es wie Pixel (aktuell ein großer Trend!) oder ist mit Camouflage versetzt. Den Mix nennt Williams „Damoflage“. Aus den Initialen von Louis Vuitton macht er an einigen Stellen das Emblem „LVERS“ (Lovers). Kunden und Fans werden ihm die Teile aus den Händen reißen. Kurz nach der Show stehen er und Jay-Z dann auf der Bühne, um mit einer gemeinsamen Performance die After-Show-Party zu eröffnen. Nie war Mode mehr Entertainment als in diesem Moment.